5-Punkte-Programm zum Abbau von kommunalen Alt-Defiziten

Altdefizite mit 5-Punkte-Programm abbauen; v. links: GFD Gieseler, Präsident OB Burghardt, Gastgeber: OB Wingenfeld, Direktor Dieter - Foto: HStT

Finanzen
17 Mär
Freitag, 17. März 2017
Noch immer drücken über Jahre entstandene finanzielle Defizite die hessischen Städte. Präsidium und Hauptausschuss des Hessischen Städtetages haben daher am 09.03.2017 in Fulda ein 5-Punkte-Programm zum Abbau dieser kommunalen Altdefizite beschlossen.

Präsidium und Hauptausschuss
1. unterstützen das Ministerium des Innern und für Sport grundsätzlich in dessen Bestreben, die Altfehlbeträge/Kassenkredite der hessischen Kommunen abzubauen. Die zuständige Rechtsaufsicht sollte definitionssicher abklären, inwieweit sie sich trotz der gesetzlichen Vorgabe "Altfehlbeträge" auf den Abbau von Kassenkrediten konzentriert. Dazu gehört es, sowohl die Höhe Kassenkredite als auch den Stand der Altfehlbeträge Kommune für Kommune zu erheben und fortzuschreiben.

2. fordern angesichts der aktuell noch günstigen Zinslage, allen Kommunen das Recht zu gewähren, langfristige Kassenkredite aufzunehmen.

3. fordern, dass das Land den am stärksten durch Kassenkredite belasteten Kommunen mittels eines zweiten Schuldenschnitts (Schutzschirm II) zielgerichtet aus ihrer sonst aussichtslosen Lage hilft.

4. sehen Vorgaben der Rechtsaufsicht zum Defizitabbau nur als sinnvoll an, wenn diese an der individuellen Lage der jeweiligen Kommune ansetzen und neben den derzeit prognostizierten günstigen finanziellen Rahmenbedingungen (stetig steigende Steuererträge) auch Konsolidierungsverläufe unter weniger günstigen und schlechteren Rahmenbedingungen ins Kalkül nehmen.

5. sehen für den kreisangehörigen Raum regelmäßig nur Lösungen für tauglich an, die sich auf den Gesamtkreis beziehen. Am besten lassen sich Gesamtkreislösungen entwickeln, wenn die Städte und Gemeinden mit ihrem jeweiligen Landkreis dazu im Verhandlungsweg ein Resultat finden.

Der Hessische Städtetag unterstützt somit das Innenministerium grundsätzlich in dessen Bestreben, kommunale Altdefizite abzubauen. Im kreisangehörigen Raum sollte es dazu auf den Gesamtkreis bezogene Vereinbarungen zwischen Landkreis und umlagepflichtigen Gemeinden geben. Kommt keine Vereinbarung zustande, muss das Innenministerium jeweils individuelle Gesamtkreislösungen suchen. Dabei muss der Eingriff jeglicher Umlage in die gemeindliche Finanzhoheit abgewogen werden.

Wichtig ist es, dass alle verschuldeten Gemeinden die Chance haben, das immer noch bestehende Zinstief zu nutzen und sich mit langfristigen Krediten einzudecken. Die speziell für Kassenkredite geltenden Befristungen sollten daher – durchaus systematisch – zur Meidung von Zinsänderungsrisiken außer Kraft gesetzt werden.

Finanziell in aussichtslose Lage geratenen Kommunen muss das Land durch einen Schuldenschnitt (Schutzschirm II) helfen.
Jeglicher Konsolidierungsverlauf muss berücksichtigen, dass es zukünftig nicht nur die gegenwärtig als günstig prognostizierten Rahmenbedingungen geben kann, sondern auch ein deutlich schwierigeres finanzielles Umfeld.

1. Innenministerium will kommunale Altdefizite abbauen

Nachdem sich für das Jahr 2017 abzeichnet, dass die hessischen Kommunen zu einem großen Teil ihre laufenden Haushalte ausgleichen können, widmet sich die beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport angesiedelte Rechtsaufsicht nun dem Abbau von Altfehlbeträgen und des Altbestands an Kassenkrediten. Die Hessische Gemeindeordnung fordert den Haushaltsausgleich "unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen aus Vorjahren" (§ 92 Abs. 4 Satz 1 HGO).

Vor allem mit dem Ziel, dem hohen kommunalen Zinsänderungsrisiko zu begegnen, orientiert sich die Rechtsaufsicht beim Innenministerium in erster Linie am Kassenkreditbestand der Kommunen. Angesichts der klaren, sich auf Fehlbeträge beziehenden rechtlichen Vorgaben ist die Forderung zahlreicher Mitglieder berechtigt, das Land möge zunächst den Fehlbetragsstand mit dem Kassenkreditbestand abgleichen und die so ermittelten Daten fortschreiben. Sodann muss die Rechtsaufsicht definitionssicher klären, wie sie ihre Forderung nach Abbau von Kassenkrediten angesichts der auf Fehlbeträge abstellenden gesetzlichen Regelung durchsetzen will.

Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass angesichts der aktuellen Zinslage vernünftigerweise Kommunen verstärkt Kassenkredite aufnehmen, um ihr Zinsänderungsrisiko zu mildern.

2. Langfristige Kassenkredite genehmigen

Angesichts der günstigen Zinslage gerade auch für langfristige Kredite ist es richtig, den Kommunen zur Minderung ihrer Zinsänderungsrisiken die Aufnahme langfristiger Kassenkredite zu erlauben. Die jüngsten Gremiensitzungen des Hessischen Städtetages haben sehr deutlich vermittelt, dass es sich hierbei um ein sehr dringendes, breit in der Mitgliedschaft wurzelndes Anliegen handelt.

3. Schutzschirm II

Die einwohnerstärkste Schutzschirmkommune aus den Reihen des Hessischen Städte-tages, die Stadt Kassel, ist soeben aus dem Schutzschirm entlassen worden. Für sie war der Schutzschirm zweifellos ein Erfolgsprojekt.
Es gibt aber auch Mitglieder des Städtetages, die trotz erheblicher, vielfach unpopulärer Sparmaßnahmen nicht den Stand erreichen werden, sich aus eigener Kraft bei fortdauernden erheblichen eigenen Anstrengungen zu konsolidieren.
Für diese Städte muss das Land noch einmal mit einem zweiten Schuldenschnitt helfen. Dieser Schuldenschnitt muss zielgerichtet den am schwersten getroffenen Städten zur Seite stehen.
Jegliches Landespaket für einen Schutzschirm II schließt natürlich ein, dass die Kommunen mit auflagenbewehrten eigenen Anstrengungen zur Konsolidierung ihres Haushalts beitragen müssen.

4. Individuell ermittelte Konsolidierung und Alternativprognosen zu aktuell optimistisch eingeschätzter künftiger Steuerertragslage

In nahezu allen Rückmeldungen, die unsere Mitglieder zu den Konsolidierungsanforderungen der Finanzaufsicht abgegeben haben, kommt zum Ausdruck, dass ein Konsolidierungspfad nicht schematisch an landesweit gültigen jährlichen Abbauraten orientiert sein darf. Es bedarf individueller Lösungen, die Rücksicht auf die Finanzlage der jeweiligen Kommune nehmen und Konsolidierungspfade "maßgeschneidert" vorsehen.
Es wäre zudem von vornherein verfehlt, Konsolidierungspfade ausschließlich an den derzeit günstigen Zukunftsprognosen kontinuierlich steigender Steuererträge auszurichten. Zu dieser Erkenntnis tragen nicht nur die im letzten Vierteljahr verstärkt aufgekommenen Sorgen bezüglich der Entwicklung der Weltwirtschaft und speziell der europäischen Wirtschaft bei. Auch die schlichte Erwartung eines mutmaßlich bevorstehenden Steuersenkungswettbewerbs in den Wahlversprechen der Parteien zur Bundestagswahl rät ab von zu optimistischem Steuerertragsoptimismus.
In den Besprechungen mit dem Innenministerium hat die Geschäftsstelle daher der Finanzaufsicht die Überlegung nahe gebracht, drei unterschiedliche Konsolidierungsverläufe A, B und C anzusetzen. Konsolidierungsverlauf A soll die eher optimistisch anmutenden, stetig steigenden Steuererträge zugrunde legen, Szenario C soll geprägt sein von der Einschätzung wirtschaftlicher Problemlagen und folglich einem massiven Steuerertragseinbruch. Konsolidierungsverlauf B läge logisch folgend in der Mitte beider Szenarien.

5. Gesamtkreislösung im kreisangehörigen Raum

Sind für die beiden von hohen Kassenkrediten betroffenen kreisfreien Städte nur individuelle Lösungen sinnvoll denkbar, müssen sich die Mitglieder aus dem kreisangehörigen Raum mit drei unterschiedlichen Ideen zum Defizitabbau aus dem Innenministerium beschäftigen.
Dabei filtert das Innenministerium zunächst jene Kommunen als nicht weiter konsolidie-rungsbedürftig heraus, deren Kassenkreditbestand unter 100 Euro pro Einwohner liegt.
Die drei "Szenarien" des zuständigen Innenressorts:

Szenario 1 Fester jährlicher Abbaubetrag:
• Abbau bis Sockelbetrag: 100 Euro je EW?
• unter 100 Euro: keine Abbauvorgabe
• Ziel: möglichst viele konsolidierungspflichtige Kommunen erreichen in 10 bis 15 Jahren den Sockelbetrag
• Abbaubeträge: 20 Euro/40 Euro/60 Euro/80 Euro? je Jahr und EW

Szenario 2 Gesamtkreislösung:
Kreise und kreisangehörige Städte und Gemeinden werden gemeinsam betrachtet: Abbauverpflichtung des Gesamt-LK – Einigung von Kreis und Kreisgemeinden auf jeweiligen Abbauanteil (Kreisbezogene Konsolidierungspakte)

Szenario 3 Schuldentragungslösung:
Keine aufsichtliche Vorgabe beim Abbau von KK, solange eventuell steigende Zinslasten durch vertretbare Erhöhung der Grundsteuer B kompensiert werden können
• Entsprechende Darstellung im HH-Plan erforderlich
• Kommunen, die den Index überschreiten, verfahren nach Szenario 1
> Übertragbarkeit des Modells auf Kreise (Kompensation durch Kreisumlage?)

Das Finanzministerium beabsichtigt Vorschläge zum Abbau von Altfehlbeträgen (§ 92 Abs. 3 und Abs. 4), wobei ihm insbesondere daran gelegen ist, Kassenkredite in einem vorgegebenen Jahreszeitraum abzubauen.
In der Diskussion im Rahmen der regionalen Arbeitsgemeinschaften im Hessischen Städtetag (AG Süd am 13.2.2017 in Neu-Isenburg, AG Nord am 14.2.2017 in Fritzlar und AG Mitte am 16.2.2017 in Schlitz) zeigte sich deutliche Skepsis gegenüber den Szenarien 1 und 3.
Bei dem Szenario 1 fürchten die kreisangehörigen Mitglieder nicht nur die schematische Vorgabe, die der individuellen Finanzlage der einzelnen Kommune zu wenig Beachtung schenkt. Mehr noch dominiert die Sorge davor, dass sich die Landkreise zu Lasten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden konsolidieren. Sie könnten unter Berufung auf eine schematisch angesetzte Konsolidierungsrate der Finanzaufsicht die Kreisumlage erhöhen mit der Begründung, nur so könnten sie den Anforderungen des Szenario 1 gerecht werden.
Daher gewannen die Mitglieder der regionalen Arbeitsgemeinschaften im Laufe der Diskussion eine gewisse Sympathie für das Szenario 2, das die Geschäftsstelle von Anbeginn favorisiert hat. Zwar können sich weder die Geschäftsstelle noch die Mitgliedstädte dem Argument entziehen, Verhandlungen über eine Gesamtkreislösung könnten leicht scheitern, eine Erfolgsgarantie gebe es nicht. Diese These ist richtig. Andererseits zeigte es sich in der Diskussion, dass es in allen Spielarten alternativer Lösungen für einen verträglichen Lösungsweg immer erforderlich ist, dass Landkreis und kreisangehörige Kommunen sich verständigen.
Dies schließt ein, dass die Rechtsaufsicht selbst eine auf den jeweiligen Gesamtkreis zugeschnittene Lösung anbieten muss, falls die Verhandlungen zwischen Landkreis und Gemeinden zu einer Gesamtkreislösung scheitern sollten.
Wenig Zustimmung löst Szenario 3 aus, schon weil es im Ansatz sehr kompliziert ist. Zwar setzt es am doppischen Haushalt an. Dies finden zahlreiche Mitglieder prinzipiell deswegen gut, weil sie nach der nicht ohne Mühe eingeführten doppischen Rechnung vermissen, dass dieses neue Rechnungssystem für Entscheidungen wie den Altfehlbetragsabbau auch zum Maßstab wird. Die Anknüpfung an einen fiktiven Kassenkreditzins und einem Hebesatz für die Grundsteuer B von 800 Punkten als Messlatte für einen Stresstest ihres ordentlichen Haushalts hält offenkundig die ganz überwiegende Zahl der Verantwortlichen in unserer Mitgliedschaft für gekünstelt und wenig praktikabel.

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