Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen nach § 6 Hessisches Ladenöffnungsgesetz

Wirtschaftliches Umsatzinteresse allein zählt nicht - Foto: oneinchpunch, Fotolia

22 Jun
Mittwoch, 22. Juni 2016
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG sind die Gemeinden aus Anlass von Märkten, Messen, örtlichen Festen oder ähnlichen Veranstaltungen berechtigt, abweichend von § 3 Abs. 2 Nr. 1 HLöG die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich bis zu vier Sonn- und Feiertagen durch Allgemeinverfügung freizugeben.

Da sich am gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "aus Anlass von Märkten …" in der Praxis und anschließend auch vor Gericht immer wieder Auslegungsschwierigkeiten entzünden, hatte der Hessische Städtetag sein Begehr, die anlassbezogene Einschränkung in § 6 HLöG zu streichen, in der Stellungnahme vom 9.4.2015 an den Hessischen Landtag und im Juni 2014 dem Hessischen Sozialminister erfolglos vorgetragen.

Zu Wettbewerbsverzerrungen führte auch, dass Gewerkschaften oder/und Kirchen in einem Fall vor Gericht zogen, in anderen Städten nicht. Die „Allianz für den freien Sonntag“, ein Zusammenschluss aus Vertretern der Kirche und Gewerkschaften in Hessen, hat in den vergangenen Monaten verstärkt Städte erfolgreich verklagt. Im Nachgang zu diesen gerichtlichen Untersagungen verkaufsoffener Sonntage hat das zuständige Sozialministerium den Anlass-Begriff sowie die räumliche und gegenständliche Beschränkung der sonn- und feiertäglichen Ladenöffnung nach § 6 HLöG auf der Grundlage ergangener Rechtsprechung konkretisiert und ist „zuversichtlich“, diesbezügliche Unsicherheiten damit ausräumen zu können. Eine Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes ist nicht beabsichtigt.

Das Sozialministerium fasst die Rechtsprechung im Wesentlichen wie folgt zusammen:

Kein nur wirtschaftliches Umsatzinteresse – Beträchtlicher Besucherstrom

Mit der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG ist der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag für die Sonn- und Feiertage aus Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) i.V.m. Art. 140 Grundgesetz (GG) nachgekommen. Dieser verpflichtet ihn nach der Rechtsprechung des BVerfG, Sonn- und Feiertage erkennbar als Tage der Arbeitsruhe zur Regel zu erheben und Ausnahmen nur bei einem dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrund zuzulassen; ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift muss der Markt, die Messe, das örtliche Fest oder die ähnliche Veranstaltung deshalb die "Hauptsache" sein und die Sonntagsöffnung lediglich der "Nebeneffekt". Die Rechtsprechung erkennt einen Anlass gebenden Grund für die Offenhaltung von Verkaufsstellen nur bei solchen Veranstaltungen an, die - auch ohne Offenhalten von Verkaufsstellen - für sich genommen interessant genug sind, um einen "beträchtlichen Besucherstrom" anzuziehen. Der Besucherstrom darf nicht erst durch die Offenhaltung der Verkaufsstellen ausgelöst werden, sondern muss selbst das Bedürfnis für die Offenhaltung der Verkaufsstellen auslösen.

Notwendig ist eine im Zeitpunkt des Erlasses der Freigabeentscheidung getroffene Prognose dahingehend, dass die Veranstaltung eine hohe Besucherzahl erwarten lässt, die ihrerseits die Öffnung der örtlichen Verkaufsstellen rechtfertigen kann. Insoweit kommt es nicht auf die Motivation der Initiatoren an, die zur Festsetzung der Veranstaltung geführt hat; maßgeblich ist allein das äußere Erscheinungsbild und das objektive Gewicht der Veranstaltung und ob sie geeignet ist, beträchtliche Besucherströme auszulösen. Das Gewicht eines Marktes kann sich beispielsweise aus einem ungewöhnlichen, auf ein "Marktthema" bezogenen Warenangebot, einem kulturellen Rahmenprogramm, Volksbelustigungen oder anderen Attraktivitäten ergeben.

Geringe prägende Wirkung der Ladenöffnung

Eine sonntägliche Öffnung von Verkaufsstellen mit uneingeschränktem Warenangebot ist nach dem BVerwG nur dann ausnahmsweise hinnehmbar, wenn sie von geringer prägender Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages ist. Die öffentliche Wirkung der traditionell auch an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Märkte, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen muss gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen. Die Ladenöffnung entfaltet dann eine geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheint.

Räumliche und gegenständliche Beschränkung

Eine geringe prägende Wirkung der Ladenöffnung kann in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibt. Je größer die Ausstrahlungswirkung des Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität ist, desto weiter reicht der räumliche Bereich, in dem die Verkaufsstellen-öffnung noch in Verbindung zum Marktgeschehen gebracht wird. Bei auf bestimmte Handelszweige beschränkten Märkten kann der erforderliche Bezug auch thematisch dadurch hergestellt werden, dass die Ladenöffnung nur für dieselben Handelszweige zugelassen wird.

Nach § 6 Abs. 2 HLöG kann die Gemeinde die Offenhaltung der Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränken. Der Zweck des § 6 Abs. 1 HLöG besteht darin, den Bedürfnissen eines aus einem anderen anerkannten Grund resultierenden Besucherstroms Rechnung zu tragen und dem Einzelhandel durch die Einbeziehung der Verkaufsstellen in die Veranstaltung die Möglichkeit zu geben, den Besucherandrang auch für sich zu nutzen. Diese Regelung dient damit zum einen der Gleichbehandlung von örtlichen Verkaufsstellen und Veranstaltungsbeschickern, zugleich aber auch der Gleichbehandlung der örtlichen Händler untereinander, deren Angebot nicht bereits zum Inhalt der festgesetzten Veranstaltung gehört, da angesichts der nur vier für eine Sonntagsöffnung in Betracht kommenden Sonntage schon faktisch nicht alle Branchen einen eigenen Markt oder Ähnliches veranstalten oder in eine derartige Veranstaltung mit einbezogen werden können. Die Ermessensausübung kann sich hinsichtlich der räumlichen Beschränkung der Ladenöffnung zu einer Pflicht zur Beschränkung verdichten, soweit zwischen der AnIassveranstaltung und der Ladenöffnung kein nachvollziehbarer Zusammenhang besteht. Dies kann etwa in Städten oder Gemeinden mit mehreren Ortsteilen der Fall sein, wenn die Anlassveranstaltung nur in einem Stadt- oder Ortsteil stattfindet; dann ist es in der Regel ermessensfehlerhaft, eine Ladenöffnung im gesamten Stadt- oder Gemeindegebiet zuzulassen. Das Tatbestandsmerkmal "aus Anlass von Märkten, Messen ..." kann für einzelne Ortsteile nicht erfüllt sein, wenn sich die betreffende Veranstaltung dort allein schon aus räumlichen Erwägungen nicht mehr auswirken kann und der von ihr hervorgerufene Besucherstrom einer Versorgung durch bestimmte Geschäfte dort nicht bedarf. Eine Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen mit unbeschränktem Warenangebot ist schließlich nur zulässig, wenn die den öffentlichen Charakter des Tages prägende Wirkung einer solchen Veranstaltung gegenüber dem typisch werktäglichen Charakter der Ladenöffnung überwiegt. Dem BVerwG zufolge kann bei auf bestimmte Handelszweige beschränkten Märkten der erforderliche Bezug zum Marktgeschehen thematisch dadurch hergestellt werden, dass die Ladenöffnung nur für dieselben Handelszweige zugelassen wird.

Zurückhaltende Freigabe sonn- und feiertäglicher Ladenöffnung

Der Hessische VGH hat in seinem Urteil zum Darmstädter Ostermarkt im Mai 2014 darauf hingewiesen, dass eine äußerste Zurückhaltung bei der Freigabe sonntäglicher Ladenöffnungen immer mehr Bedeutung gewinne angesichts der Auswirkungen der vollständigen Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen einschließlich der Samstage von 0 bis 24 Uhr durch den Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 HLöG.

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