Steigende Arbeitslosigkeit belastet die öffentlichen Haushalte

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Soziales
08 Nov
Sonntag, 8. November 2009
Die zu erwartende steigende Arbeitslosigkeit wird die öffentlichen Kassen zunehmend belasten. Nach dem noch vom alten Bundeskabinett beschlossenen Haushaltsentwurf wird es im Jahr 2010 zu einer Rekordneuverschuldung von rund 86 Mrd. Euro kommen.

Insbesondere die Auswirkungen der Konjunkturkrise auf dem Arbeitsmarkt führen zu deutlich höheren Ansätzen im Haushalt 2010 und im Finanzplan 2011 bis 2013. Allein im Bundeshaushalt 2010 sind Mehrausgaben von knapp 30 Mrd. Euro für zusätzliche Kosten im Bereich des Arbeitsmarktes eingeplant. Insgesamt belaufen sich die bis zum Jahr 2013 beim Bund anfallenden höheren Ausgaben für den Arbeitsmarkt auf 90 Mrd. Euro. Die kommunalen Haushalte werden insbesondere durch Mehrausgaben für die Unterkunftskosten (Hartz-IV) belastet. Diese müssen sie zu einem wesentlichen Teil allein tragen.

Damit steigt die Sozialausgabenquote (Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt) bereits im Jahr 2009 auf über 50 Prozent (2008: 49,7 Prozent). 2010 wird sie 54,5 Prozent erreichen.


I. Entwicklung der Arbeitsmarktkosten im Bundeshaushalt

Die Bundesregierung erwartet für das Jahr 2010 einen Anstieg der Arbeitslosenzahl auf jahresdurchschnittlich 4,6 Mio. Personen. Dies führt zu einer erheblichen Belastung des Bundeshaushalts. Im Haushalt 2010 und im Finanzplan 2011 bis 2013 sind insgesamt um 90 Mrd. Euro höhere Ausgaben für den Arbeitsmarkt gegenüber dem vorjährigen Finanzplan veranschlagt. Allein 2010 werden die Ausgaben des Bundes im Bereich des Arbeitsmarktes um knapp 30 Mrd. Euro auf über 153 Mrd. Euro steigen.

Von den Mehrausgaben in 2010 entfallen ca. 10 Mrd. Euro auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV). Allein das Arbeitslosengeld II wird den Bund über 7,0 Mrd. Euro mehr kosten. Insgesamt sind im Haushalt 2010 für die Grundsicherung für Arbeitsuchende 41,1 Mrd. Euro veranschlagt, davon 26,1 Mrd. Euro für das Arbeitslosengeld II, 4,0 Mrd. Euro für Kosten der Unterkunft und 11,0 Mrd. Euro für Eingliederung und Verwaltungskosten. Der Anstieg gegenüber dem vorjährigen Finanzplan ist im Wesentlichen eine Folge der schlechten Konjunktur und des damit erwarteten Anstiegs der Bedarfsgemeinschaften. Darüber hinaus führen die turnusmäßige Erhöhung der monatlichen Regelleistung zum 1.7.2009 von 351 auf 359 Euro sowie Verbesserungen bei den Leistungen für schulpflichtige Kinder (Erhöhung der Kinderregelleistung für 6- bis 13-Jährige von 60 auf 70 Prozent der Regelleistung sowie das jährlich einmalig anfallende Schulbedarfspaket in Höhe von 100 Euro für alle schulpflichtigen Kinder) zu Mehrausgaben. Auch der Mehrbedarf beim Ansatz für die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft gründet insbesondere in der zu erwartenden steigenden Zahl von Bedarfsgemeinschaften.

Die restlichen 20 Mrd. Euro fließen in 2010 in Form eines Darlehens an die Bundesagentur für Arbeit (BA). Der Haushalt der BA wird durch verschiedene Aspekte belastet. Eine wesentliche Rolle spielt die konjunkturbedingt höhere Arbeitslosigkeit und die Kurzarbeit. So steigt die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld l und Kurzarbeitergeld, während gleichzeitig - u. a. während des Bezuges von Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld - die Beitragseinnahmen wegfallen. Aber auch die Maßnahmen der Konjunkturpakete zur Abfederung der Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt wirken sich belastend aus. Zu den im Rahmen der Konjunkturpakete ergriffenen Maßnahmen zählen die Festschreibung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung bis zum Ende des Jahres 2010 auf 2,8 Prozent, die erleichterte Inanspruchnahme und Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld und die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei Bezug von Kurzarbeitergeld ab dem 7. Monat durch die BA sowie die Aufstockung der Mittel für Aktivierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.


II. Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte

Im Jahr 2008 beliefen sich die Kosten der Kommunen für Hartz-IV-Leistungen auf ca. 11,7 Mrd. Euro. Die steigende Arbeitslosigkeit wird sich auch in den kommunalen Haushalten, insbesondere bei den Kosten der Unterkunft für Hartz- IV-Empfänger, zunehmend bemerkbar machen.

Seit 2008 wird die Höhe der Bundesbeteiligung anhand einer gesetzlich verankerten Anpassungsformel festgelegt. Danach hat bei einer Veränderung der Bedarfsgemeinschaftszahl um +/- 1 Prozent eine Anpassung des Beteiligungssatzes des Bundes um +/- 0,7 Prozentpunkte zu erfolgen. Allein ausschlag­gebende Bezugsgröße ist damit die jahresdurchschnittliche Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften. Bei der Ermittlung der Bedarfsgemeinschaften wird auf die jahresdurchschnittliche Anzahl der Bedarfs­gemeinschaften von der Jahresmitte des Vorvorjahres bis zur Jahresmitte des Vorjahres im Vergleich zum Zeitraum von der Jahresmitte des Vorjahres bis zur Jahresmitte des Jahres der Feststellung abgestellt.

So verringerte sich zuletzt im Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 im Vergleich zum Zeitraum von Juli2007 bis Juni 2008 die jahresdurchschnittliche Zahl der Bedarfsgemeinschaften von 3.827.934 auf 3.653.757, d. h. um 4,6 Prozent. Dies führte zu einer Anpassung der Bundesbeteiligung für 2009 um 3,2 Prozentpunkte nach unten. Im Ergebnis beträgt die Bundesbeteiligung an den Kosten für die Unterkunft im Jahr 2009 bundesweit durchschnittlich 26 Prozent. Im zweiten Nachtragshaushalt 2009 des Bundes wurden die Kosten der Unterkunft bereits auf 3,7 Mrd. Euro nach oben korrigiert. Hier liegen die insgesamt für Bund und Kommunen erwarteten Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger im Jahr 2009 inzwischen bei ca. 14 Mrd. Euro.

Für die Ermittlung der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger im Jahr 2010 ist nach der Anpassungsformel die veränderte Anzahl der Bedarfsgemeinschaften in der Zeit von Juli 2007 bis Juni 2008 im Vergleich zum Zeitraum Juli 2008 bis Juni 2009 – also zu einer Zeit, in der die Rezession den Arbeitsmarkt noch nicht wirklich erreicht hatte – ausschlaggebend. Ausgehend von den im Entwurf des Bundeshaushalts 2010 veranschlagten Kosten der Unterkunft für den Bund in Höhe von 4,0 Mrd. Euro, ist mit einem Anstieg der Kosten auf insgesamt 16,0 Mrd. Euro zu rechnen. Während also von einer Steigerung der Kosten der Unterkunft im Jahr 2010 von über +14 Prozent auszugehen ist, steigt die Bundesbeteiligung um nur +8 Prozent. Die darüber hinausgehenden Mehrausgaben belasten im Jahr 2010 allein die kommunalen Haushalte.


III. Arbeitsmarktentwicklung im 2. Quartal 2009

Die Rezession der deutschen Wirtschaft wirkt sich zunehmend auf den Arbeitsmarkt aus. Die für gewöhnlich im März einsetzende Frühjahrsbelebung des Arbeitsmarktes war auch im April ausgeblieben. Für April war die Arbeitslosigkeit ungewöhnlich schwach zurückgegangen. Nach Angaben der BA verringerte sich die Arbeitslosigkeit von März auf April lediglich um -1.000 auf 3.585.000 Personen (West: +21.000 auf 2.400.000; Ost: -22.000 auf 1.185.000). Im Vorjahresvergleich waren +171.000 Menschen mehr arbeitslos. Die Arbeitslosenquote stagnierte damit im April bei 8,6 Prozent (West: 7,2 Prozent; Ost: 13,9 Prozent). Saisonbereinigt lag der Anstieg im April bei +58.000. Dieser entfiel überwiegend auf den Rechtskreis des SGB III. Ausschlaggebend waren erheblich mehr Zugänge in Arbeitslosigkeit.

Von April auf Mai nahm die Zahl der Arbeitslosen um -127.000 auf 3.458.000 ab (West -66.000 auf 2.334.000; Ost: -61.000 auf 1.124.000). Nichtsdestotrotz fiel auch der Rückgang im Mai schwächer aus als in den letzten beiden Jahren; verglichen mit dem Vorjahr waren +175.000 Menschen mehr arbeitslos. Die Arbeitslosenquote sank im Mai um -0,4 Prozentpunkte auf 8,2 Prozent (West: 6,9 Prozent; Ost: 13,3 Prozent). Unter Vernachlässigung eines mit der Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente verbundenen Sondereffekts stieg die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt um schätzungsweise +15.000 bis +20.000; der Zuwachs fiel damit geringer aus als in den vergangenen Monaten. Im Rechtskreis SGB III war saisonbereinigt ein Anstieg, im Rechtskreis des SGB II eine Abnahme zu verzeichnen.

Von Mai auf Juni hat sich die Arbeitslosigkeit um -48.000 auf 3.410.000 verringert (West: -15.000 auf 2.319.000; Ost: -33.000 auf 1.091.000). Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es +250.000 Arbeitslose mehr. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 8,1 Prozent; -0,1 Prozentpunkt gegenüber Mai (West: 6,9 Prozent; Ost: 12,9 Prozent). Nach dem Saisonbereinigungsverfahren – und ohne Sondereffekte – errechnet sich für den Juni ein Anstieg um +50.000. Sowohl im Rechtskreis des SGB III als auch des SGB II war im Ergebnis ein Zugang zu verzeichnen, wobei der Anstieg im Rechtskreis des SGB III stärker ausfiel.

Entlastend wirken Kurzarbeit und das rückläufige Arbeitskräfteangebot (-147.000 weniger Erwerbstätige im Jahrsdurchschnitt 2009). Der saisonbereinigte Anstieg wurde – wie schon im 1. Quartal 2009 – durch Kurzarbeit in Grenzen gehalten. Mit Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung zur Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld vom 29.5.2009 wurde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Bezugsfrist für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld in der Zeit vom 1.1.2009 bis 31.12.2009 auf 24 Monate verlängert. Die Rechtsverordnung stellt sicher, dass Betriebe, die mit der Kurzarbeit zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Jahres 2009 beginnen, generell die Regelung einer maximalen 24-monatigen-Kurzarbeitergeld-Regelbezugsfrist nutzen können.

Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen der BA (die tatsächlich in Anspruch genommene Kurzarbeit kann die BA immer erst zwei Monate nach Quartalsende beziffern) gab es im März insgesamt 1,12 Mio. Kurzarbeiter aus konjunkturellen Gründen. Nach 442.000 neu angezeigten Kurzarbeitern im April, wurde im Mai konjunkturelle Kurzarbeit für 285.000 Personen neu angezeigt. Erste Schätzungen für den Juni signalisieren neue Anzeigen für konjunkturelle Kurzarbeit für weitere 200.000 bis 220.000 Personen. Nach Schätzung der BA dürfte der Bestand an konjunkturellen Kurzarbeitern bis in den Mai auf 1,3 bis 1,4 Mio. zugenommen haben.

Der Stellenindex der BA, der die saisonbereinigte Entwicklung der Abeitskräftenachfrage am ersten Arbeitsmarkt abbildet, ist von Mai auf Juni 2009 wiederum gesunken (um 5 auf 120 Punkte). In den Index fließen die bei der BA gemeldeten ungeförderten Stellen, Stellen für Freiberufler und Selbständige, gemeldete Stellen aus der privaten Arbeitsvermittlung und zusätzliche Stellen der BA-Job-Börse sowie des BA-Job-Roboters ein. Er beruht auf konkreten Stellengesuchen der Unternehmen. Im April war der Index um zwei und im Mai um 5 Punkte gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr liegt er nunmehr um 49 Punkte niedriger. Dies ist ein weiterhin deutliches Signal für ein Nachlassen der Arbeitskräftenachfrage.

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