BGH bestätigt vertraglichen Übereignungsanspruch an Energienetzen

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Wirtschaft, Energie und Verkehr
09 Dez
Mittwoch, 9. Dezember 2009
Energieversorgungsunternehmen sind auch nach den 1998 und 2005 erfolgten Novellierungen des Energiewirtschaftsrechts verpflichtet, die für die Versorgung des Gemeindegebiets notwendigen Strom- oder Gasleitungen nach Ablauf des Konzessionsvertrages an die Gemeinde zu verkaufen, wenn dies im Konzessionsvertrag vereinbart war. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 29.9.2009 entschieden. Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, sofern dadurch die Entscheidungshoheit der Gemeinden gestärkt und ggfs. laufende und künftige Rekommunalisierungen im Bereich der Strom- und Gasversorgung erleichtert werden.

Pressemitteilung des BGH
Die Entscheidungsgründe zu den Urteilen liegen noch nicht vor. Sachverhalt und wesentliche Begründung können jedoch der Pressemitteilung des BGH entnommen werden, die im Folgenden wiedergegeben wird:

"Übereignungsanspruch an Strom- und Gasleitungen bei Wechsel des Energieversorgers

Energieversorgungsunternehmen sind auch nach den Novellen des Energiewirtschaftsrechts von 1998 und 2005 an eine früher eingegangene Verpflichtung gebunden, die für die Versorgung des Gemeindegebiets notwendigen Strom- oder Gasleitungen nach Ablauf des Konzessionsvertrages an die Gemeinde zu verkaufen. Das hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs heute entschieden.

Dem Verfahren EnZR 14/08 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die HEAG Südhessische Energie AG (HSE), ist Eigentümerin der in der Gemeinde Seeheim-Jugenheim verlegten, für den Betrieb des Stromnetzes der allgemeinen Versorgung notwendigen Leitungen und Verteilungsanlagen. Ihre Rechtsvorgängerin hatte im Jahr 1991 mit der Gemeinde einen Vertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Leitungsverlegung (Konzessionsvertrag) geschlossen. Darin ist – wie in derartigen Verträgen üblich – bestimmt, dass die Gemeinde bei Ablauf des Vertrages berechtigt ist, die für die Versorgung des Gemeindegebiets notwendigen Leitungen und Anlagen gegen Erstattung ihres Wertes zu erwerben.

Aufgrund einer Neuausschreibung des Wegenutzungsrechts im Jahr 2005 hat die Gemeinde die Konzession ab 1.1.2006 an die GGEW Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk Bergstraße AG, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, vergeben. Die HSE hat sich darauf berufen, dass das Gesetz inzwischen einen auf Überlassung des Netzes gerichteten Anspruch vorsieht, der dem weichenden Energieversorger die Wahl lasse, ob er diesen Anspruch durch Übereignung oder Verpachtung erfülle. Im Hinblick auf diese Gesetzesänderung sei auch der vertragliche Anspruch so umzudeuten, dass ihr ein Wahlrecht – Übereignung oder Verpachtung – zustehe.

Der Bundesgerichtshof hat wie das Oberlandesgericht angenommen, dass die GGEW von der HSE aus abgetretenem Recht der Gemeinde die Übereignung der Stromleitungen und Verteilungsanlagen verlangen kann. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem zwischen der HSE und der Gemeinde im Jahr 1991 geschlossenen Konzessionsvertrag. Hieran sei die HSE nach wie vor gebunden. Dass die Überlassungspflicht des weichenden Energieversorgers inzwischen in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG gesetzlich geregelt worden sei, habe hieran nichts geändert. Insbesondere sei die vertragliche Pflicht zur Eigentumsübertragung nicht in eine auch durch Verpachtung erfüllbare Pflicht zur Gebrauchsüberlassung abgeändert worden.

Ob der neue Energieversorger daneben einen gesetzlichen Eigentumsübertragungsanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG hat oder ob die dort geregelte Verpflichtung zur "Überlassung" der Verteilungsanlagen auch durch Verpachtung des Netzbetriebs erfüllt werden kann, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen.

In dem Verfahren EnZR 15/08 hat der Bundesgerichtshof die HSE aufgrund eines gleich gelagerten Sachverhalts für verpflichtet gehalten, der Energieried GmbH & Co. KG das Gasversorgungsnetz in Bürstadt zu übereignen.“

Anmerkung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Im Wesentlichen bestätigt der Bundesgerichtshof die diesbezügliche Auffassung des DStGB, dass sich die Energieversorgungsunternehmen an dem einmal vereinbarten vertraglichen Anspruch der Gemeinden festhalten lassen müssen. Die zwischenzeitliche gesetzliche Regelung der Überlassungspflicht des bisherigen Inhabers der Konzession durch § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG hat keinen Einfluss auf den vertraglichen Anspruch. Diese gesetzliche Regelung ändert den vertraglichen Anspruch insbesondere nicht in eine Pflicht zur Gebrauchsüberlassung – die etwa in Form einer Pacht zu erfüllen wäre – ab.

Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist allerdings, dass im Konzessionsvertrag ein Eigentumsübertragungsanspruch zugunsten der Städte und Gemeinden vereinbart wurde.

Der Bundesgerichtshof weist in seiner Pressemitteilung ausdrücklich darauf hin, dass er offen gelassen habe, ob der neue Energieversorger daneben auch einen gesetzlichen Eigentumsübertragungsanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG hat oder ob die dort geregelte Verpflichtung zur "Überlassung“ der Verteilungsanlagen auch durch Verpachtung des Netzbetriebs erfüllt werden kann. Mithin wurde die für die Städte und Gemeinden wesentlich wichtigere Frage, ob das Gesetz einen zwingenden Eigentumsübertragungsanspruch zugunsten der Städte und Gemeinden vorsieht, (noch) nicht entschieden.

Die Beantwortung dieser Frage ist jedoch für die Städte und Gemeinden von ganz wesentlicher Bedeutung mit Blick auf auslaufende und künftig abzuschließende Konzessionsverträge. Nicht in allen auslaufenden Konzessionsverträgen ist ein vertraglicher Eigentumsüberlassungsanspruch zugunsten der Städte und Gemeinden vereinbart. Zudem verweigern einige Regionalversorger bei Abschluss neuer Konzessionsverträge einen solchen vertraglichen Eigentumsüberlassungsanspruch, da sie um den flächendeckenden Verlust von Konzessionen fürchten.

Allerdings ist auch diese Frage derzeit beim Bundesgerichtshof zur Entscheidung anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht auch in diesem Fall seine kommunalfreundliche Rechtsprechung fortschreiben wird. Bis dahin ist den Städten und Gemeinden, die sich die Option für eine künftige Kommunalisierung des Netzes offen halten wollen, zu empfehlen, in den Verhandlungen mit den Vertragspartnern auf einem vertraglichen Übereignungsanspruch zu bestehen.

Fundstelle

Die Urteile des BGH vom 29.9.2009 haben die Aktenzeichen EnZR 14/08 und EnZR 15/08. Die Pressemittelung des BGH ist im Internet unter bundesgerichtshof.de/ abrufbar. Dort wird auch das schriftlich abgefasste Urteil veröffentlicht werden.

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