Ein kleiner Paragraf macht große Sorgen – Spaltet der § 53 HKO die kommunale Familie?

Spaltet der Paragraf 53 die kommunale Familie? - Foto: ilposeidone, Fotolia

Finanzen
07 Jun
Dienstag, 7. Juni 2011

Ein kleiner Paragraf macht große Sorgen. Im Gesetzentwurf zur Änderung unter anderem der Hessischen Kreisordnung sollen die Landkreise verpflichtet werden, die Kreisumlage zu erhöhen, wenn ihre Erträge nicht ausreichen.

Der Hessische Städtetag fürchtet einen nicht einzugrenzenden Aderlass seiner kreisangehörigen Mitglieder.

Ein kleiner Paragraf, ein wenig versteckt im nicht täglich beäugten Sektor der Hessischen Kreisordnung, macht große Sorgen: Künftig sollen die hessischen Landkreise verpflichtet werden, was sie bisher in einem Ermessen „können“: die Kreisumlage zu erhöhen. Dazu soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen die Hessische Kreisordnung (§ 53 Abs. 2) geändert werden.  

Wir fürchten einen unbegrenzten Aderlass der kreisangehörigen Gemeinden, wenn diese Vorschrift zum Gesetz wird. Statt die Erhöhung der Kreisumlage wie bisher im pflichtgemäßen Ermessen der Kreise zu halten, verpflichtet der Gesetzgeber die Kreise, die Umlage zu erhöhen. Bedingungen – etwa an optimale Sparsamkeit der Kreise – stellt der Gesetzgeber nicht.
Den Kreiskämmerern und den Kreistagen, welche die Not ihrer kreisangehörigen Gemeinden sehen, wird das Steuer aus der Hand geschlagen, die Kreisumlage maßvoll zu gestalten.  

Der Hessische Innenminister hat bisher im Erlasswege die Umlageverpflichtungen der kreisangehörigen Kommunen auf 58 Prozent begrenzt (Summe aus Kreis- und Schulumlage). Der Hessische Städtetag befürchtet, dass das Innenministerium diese ohnehin schon viel zu hohe Grenze nicht mehr ziehen kann, wenn der Gesetzgeber gegenüber den Landkreisen einen so eindeutigen Befehl zur Erhöhung der Kreisumlage ausspricht. Denn mit der Neuregelung will der Gesetzgeber klarstellen, "dass der Landkreis zur Erhebung der Kreisumlage verpflichtet ist, wenn der Haushalt sonst nicht ausgeglichen werden kann" (siehe Gesetzesbegründung zu Art. 2 Nr. 15).  

Verschärft wird dieses Problem noch dadurch, dass der Gesetzgeber darüber hinaus anordnet, der Landkreis müsse auch aufgelaufene Fehlbeträge aus früheren Haushalts­jahren über die Kreisumlage finanzieren (siehe Begründung ebenda).  

Nachstehend finden Sie die beabsichtigten Änderungen im Fettdruck. Zur besseren Übersicht haben wir die Bestimmung des geltenden Rechts noch einmal gesondert beigefügt.  

Artikel 2 Änderung der Hessischen Landkreisordnung (S. 18)
Änderung des § 53 HKO:  

"§ 53  Abgaben und Kreisumlage  

(2) Der Landkreis hat, soweit seine sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen, um seinen Haushalt und Fehlbeträge aus Vorjahren auszugleichen, nach den hierfür geltenden Vorschriften eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden und den gemeindefreien Grundstücken zu erheben (Kreisumlage).  

Geltendes Recht:
(2) Der Landkreis kann, soweit seine sonstigen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen, um seinen Bedarf zu decken, nach den hierfür geltenden Vorschriften eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden und den gemeindefreien Grundstücken erheben (Kreisumlage). Die Kreisumlage ist in der Haushaltssatzung für jedes Rechnungsjahr neu festzusetzen."  

Nun fehlt es auf Nachfrage nicht an Erklärungen von Regierungs- und Landkreisseite. Sie verweisen die Gemeinden darauf, dass die jetzt beabsichtigte Regelung im Finanzausgleichsgesetz schon vor der Gesetzesnovellierung stehe.

Das stimmt grundsätzlich, wie nachstehend dokumentiert ist. Nur muss man fragen, warum die Koalition dann die Kreisordnung an das Finanzausgleichsgesetz und nicht das Finanzausgleichsgesetz an die Kreisordnung anpasst? Und warum soll auch das Finanzausgleichsgesetz noch einmal verschärft werden, indem der Gesetzgeber auch dort noch einfügt, die Landkreise seien verpflichtet, die Fehlbeträge der Vorjahre auszugleichen?  

Wir haben nachstehend den ergänzenden Gesetzestext fett dargestellt:  

Artikel 6 Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (S. 27)
Änderung des § 37 FAG:  

§ 37  Kreisumlage  
Soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen der Landkreise und die Leistungen nach diesem Gesetz zum Ausgleich des Haushalts und zum Ausgleich von Fehlbeträgen aus Vorjahren nicht ausreichen, haben die Landkreise eine Kreisumlage von ihren Gemeinden und den gemeindefreien Grundstücken zu erheben.“  

Weder die Landesregierung noch die hessischen Landkreise haben bisher offiziell verlautbart, dass die 58-Punkte-Grenze fallen soll. Die Sorge auf der Seite des Hessischen Städtetages ist dennoch groß, weil wir inoffiziell immer wieder einmal Äußerungen zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Kreisumlage nicht ausreiche, die Kreisaufgaben zu finanzieren.

Angesichts der Entscheidung des Hessischen Landkreistages, Verfassungsklage wegen fehlender Finanzausstattung zu erheben, kommt ein weiterer Aspekt dazu: Das Land könnte sich gehalten sehen, die Landkreise „klaglos“ zu stellen.
Mit anderen Worten: Das Land könnte der Klage der Landkreise entgegenhalten, ihre Finanzausstattung sei dann ausreichend, wenn sie alle ihre Defizite mit der Hilfe der Kreisumlage ausglichen.

Selbst wenn die Landkreise dann einwenden würden, sie könnten doch den Aderlass ihrer kreisangehörigen Gemeinden nicht zum Äußersten treiben, könnte das Land sagen: „falscher Kläger“, nicht die Landkreise, die kreisangehörigen Gemeinden hätten klagen müssen.

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