Oberbürgermeister Wolfram Dette im Interview zur Dienstrechtsreform des Landes

Oberbürgermeister Wolfram Dette, Wetzlar - Foto: Stadt Wetzlar

Oberbürgermeister Dette im Gespräch mit Direktor Stephan Gieseler und Referentin Sandra Schweitzer - Foto: HStT

Übergabe des Berichts der Mediatorengruppe: Bundesminister a.D. Friedrich Bohl, Oberbürgermeister Wolfram Dette, Ministerpräsident Roland Koch, Staatsminister a. D. Lothar Klemm, Staatsminister a. D. Rupert von Plottnitz und Innenminister Volker Bouffier (v. l.) Foto: Erhard Blatt, Staatskanzlei

Recht, Personal und Ordnung
03 Mär
Mittwoch, 3. März 2010
Vier bedeutende hessische politische Köpfe hatte Ministerpräsident Roland Koch in eine Kommission berufen, die Vorschläge zu einer Dienstrechtsreform in Hessen unterbreiten sollen. Als einzigen Kommunalpolitiker und als einzigen in seinem Amt aktiven: Wolfram Dette, Oberbürgermeister der Sonderstatusstadt Wetzlar, Mitglied im Präsidium des Hessischen Städtetages und im Hauptausschuss des Deutschen Städtetages.

Mit ihm waren berufen: Friedrich Bohl, einst Bundeskanzler Kohls Minister im Kanzleramt, Lothar Klemm, vordem hessischer Wirtschaftsminister, und Rupert von Plottnitz, hessischer Umweltminister und danach Justiz- und Europaminister.

Hessen will nutzen, was die Föderalismusreform erlaubt: sehr viel mehr eigenständige hessische beamtenrechtliche Regelungen als nach alter Rechtslage möglich. Kochs eigens hierfür einberufene Kommission politischer Persönlichkeiten mit gut gemischter Parteifarbe sollte die wichtigsten Fragestellungen vertiefen.

Der Hessische Städtetag will den Kenntnisvorsprung von OB Dette den hessischen Städten zugute kommen lassen. Herr Dette hat dem Wunsch nach einem Interview gerne entsprochen.

Im August 2008 hat der Hessische Ministerpräsident namens der Hessischen Landesregierung die Mediatorengruppe Dienstrecht einberufen. Die Mediatorengruppe hatte den Auftrag, der Hessischen Landesre­gierung und den Fraktionen des Hessischen Landtags Vorschläge zur künftigen Gestaltung des Hessischen Beamten-, Besoldungs- und Versorgungsrechts zu unter­breiten. Am 2. Dezember 2009 hat sie ihren Abschlussbericht mit insgesamt 29 Empfehlungen vorgelegt. Oberbürgermeister Wolfram Dette aus Wetzlar, Mitglied der Mediatorengruppe, haben wir für die „Informationen Hessischer Städtetag“ zur Dienstrechtsreform befragt.

Oberbürgermeister Dette kann auf eine Zeit von fast 30 Jahren als Stadtkämmerer der Stadt Wetzlar zurückblicken. 16 Jahre war er seit 1981 „originärer“ Stadtkämmerer, 13 Jahre ist er seit 1997 Oberbürgermeister mit dem Dezernat Finanzen.

Herr Oberbürgermeister Dette: Der Hessische Ministerpräsident hat im August 2008 die Mediatorengruppe einberufen. Sie hatte den Auftrag, Empfehlungen zur Schaffung eines modernen und leistungsorientierten Dienstrechts zu unterbreiten. Wie bewerten Sie die Arbeit der Mediatorengruppe?

Artikel 33 unseres Grundgesetzes und die dazu ergangene Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts engen den Spielraum für eine Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts ein. Im Rahmen dieser Vorgaben hat die Mediatorengruppe die Möglichkeit, das vorhandene Dienstrecht zu modernisieren und an die Entwicklung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen, genutzt. Die von der Mediatorengruppe erarbeiteten Vorschläge sind meines Erachtens eine gute Grundlage, damit Landesregierung und Hessischer Landtag einen deutlichen Schritt zur Modernisierung und Flexibilisierung des öffentlichen Dienstrechts gehen können. Davon können auch die Kommunen bei der Gestaltung ihrer Dienstleistungsaufgaben profitieren.


In der Mediatorengruppe haben außer Ihnen Bundesminister a. D. Friedrich Bohl, Staatsminister a. D. Lothar Klemm und Staatsminister a. D. Rupert von Plottnitz mitgewirkt. Jede der vier großen politischen Parteien war somit vertreten. Wie haben Sie die Arbeitsatmosphäre empfunden?

Die Arbeitsatmosphäre in der Mediatorengruppe war ausgesprochen offen, konstruktiv und von dem Willen getragen, in der Gestaltung des öffentlichen Dienstrechts neue Akzente zu setzen. Dabei ist die Lebens- und Berufserfahrung aus Bundes-,  Landes- und Kommunalverwaltung der unterschiedlichen Akteure eine gute Grundlage dafür gewesen, dass die Vielfältigkeit der durch das öffentliche Dienstrecht geprägten Lebenssachverhalte auch angemessen gewürdigt werden konnte.


Welche Neuerungen empfiehlt die Mediatorengruppe im Beamtenrecht?

Hier will ich mich auf einige wesentliche Punkte beschränken:
Zum einen empfiehlt die Mediatorengruppe aus Gründen der Gleichbehandlung mit dem Rentenrecht und zur Sicherung eines angemessenen Gesamtniveaus der Altersversorgung, die Erhöhung der allgemeinen Altersgrenze auf das 67. Lebensjahr vorzunehmen. Dies soll schrittweise parallel zum Rentenrecht erfolgen und auch analog bei besonderen Altersgrenzen, wie z. B. Polizei, Feuerwehr, Justizvollzug, vorgenommen werden. Gleichzeitig soll jedoch die bisherige Altersgrenze von 63 Jahren für den voraussetzungslosen Ruhestand auf Antrag beibehalten werden, verbunden mit einem entsprechenden Abschlag bei den Pensionen entsprechend der Erhöhung der Altersgrenzen. Des Weiteren empfehlen wir, die drei Laufbahngruppen des mittleren, gehobenen und höheren Dienstes grundsätzlich beizubehalten, jedoch den einfachen Dienst abzuschaffen und im mittleren Dienst die Laufbahngruppe bei A 4 statt A 3 zu beginnen. Das derzeitige Laufbahnsystem von über 100 Laufbahnen soll durch die Bildung von elf Laufbahnfachrichtungen verschlankt werden und auf insgesamt ca. 30 Laufbahnen reduziert werden. Bachelor- und Masterabschlüsse sollen bei den Laufbahngruppen des gehobenen und höheren Dienstes anerkannt werden. Schließlich wird empfohlen, die Altersteilzeit nicht zu verlängern.


Welche Gründe waren ausschlaggebend für die Empfehlung, die Altersteilzeit nicht zu verlängern?

Einerseits spricht die Kostenbelastung der Dienstherren gegen eine Weiterführung der Altersteilzeit im Beamtenbereich. Ferner besteht die Gefahr, dass durch das vorzeitige Ausscheiden im Rahmen der Altersteilzeit – insbesondere in Form des Blockmodells – qualifiziertes Personal verloren geht, was im Hinblick auch auf die demographische Entwicklung mittelfristig zu Personalproblemen führen kann. Schließlich war die Altersteilzeit auch im Arbeitnehmerbereich stets als befristetes Modell gedacht. Auch hier ist eine Verlängerung weder auf Bundes- noch auf Landesebene geplant.


Auch im Besoldungsrecht soll es Neuerungen geben. Welche empfiehlt die Mediatorengruppe?

Neben der Zusammenfassung des Bundesbesoldungsgesetzes und des Hessischen Besoldungsgesetzes in einem umfassenden neuen Hessischen Besoldungsgesetz ist Schwerpunkt der Empfehlungen der Mediatorengruppe im Besoldungsrecht die Neugestaltung der Grundgehaltstabelle durch Ablösung des altersbezogenen Aufstiegs und Ausrichtung an Erfahrungszeiten. Nicht das Lebensalter, sondern die berufliche Erfahrung – in begrenztem Maße ergänzt durch die Anerkennung von sogenannten Vordienstzeiten – soll Maßstab für die angemessene Besoldung sein. Damit verbunden ist eine Neustrukturierung der Grundgehaltsstufen, die künftig in allen Laufbahngruppen und für alle aufsteigenden Gehälter einheitlich acht Stufen enthalten sollen. Mit anfangs kürzeren und später längeren Intervallen und mit einer Anhebung des Anfangsgrundgehaltes in allen Besoldungsgruppen soll die Attraktivität des öffentlichen Dienstes gerade in der Eingangssituation im Vergleich zur Privatwirtschaft verbessert werden. Längerfristig wird die dadurch gegebene finanzielle Mehrbelastung durch eine Streckung der Aufstiegsintervalle bis zum Endgrundgehalt nach 23 Dienstjahren wieder aufgefangen. Schließlich wollen wir die Elemente der leistungsorientierten Besoldung stärken, z. B. durch Fortentwicklung der bereits bestehenden Elemente Leistungsprämie und Zulage um die Elemente Sonderurlaub oder erweiterte Gruppenprämien.


Sie haben es schon angesprochen: Eine Stärkung der leistungsorientierten Besoldung wird empfohlen. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die vorgesehene Öffnungsklausel, die es kommunalen Dienstherrn ermöglichen soll, Beamtinnen und Beamte in die für die Tarifbeschäftigten nach § 18 TVöD geschlossene Dienst- und Betriebsvereinbarungen zur Zahlung eines Leistungsentgelts einbeziehen zu können?

Die vorgeschlagene Öffnungsklausel für den kommunalen Bereich halte ich für außerordentlich hilfreich, um eine Gleichbehandlung zwischen Beamten und Tarifbeschäftigten, die teilweise vergleichbare Tätigkeiten wahrnehmen, zu gewährleisten. Bei uns in der Stadt Wetzlar haben wir die Dienstvereinbarung zur Zahlung eines Leistungsentgeltes, die für alle Beschäftigten den Abschluss von Zielvereinbarungen vorsieht, mit Einverständnis unseres Personalrates auch auf die Beamten erweitert, so dass wir dieses Instrument bereits seit mehreren Jahren flächendeckend und auch mit hoher Beteiligung der Beamten einsetzen, obgleich diese derzeit kein Leistungsentgelt erhalten. Mit der vorgesehenen Öffnungsklausel könnte auch in finanzieller Hinsicht ein Gleichklang mit den Tarifbeschäftigten erreicht werden.


Bleibt das Versorgungsrecht. Welche Neuerungen empfiehlt die Mediatorengruppe?

Die Mediatorengruppe empfiehlt die Fortführung der hessischen Versorgungsrücklage als sinnvolles Instrument zur Sicherung der künftigen Versorgungslasten, die Einführung eines Rechtsanspruches auf Versorgungsauskunft für die Beamten, aber auch die Erhebung von Versorgungszuschlägen für solche Beamte, die während einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge bei einem anderen Dienstherren oder Arbeitgeber beschäftigt sind. Zur Flexibilisierung und im Sinne eines verbesserten Austausches zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft empfehlen wird, dass ausscheidende Beamtinnen und Beamte anstelle der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung Versorgungsanwartschaft mitnehmen können.


Sie sprechen von der Mitnahme von Versorgungsanwartschaften für ausscheidende Beamte. Die „goldene Fessel“ der Bindung an den Dienstherrn soll also gelockert werden. Sehen Sie da nicht die Gefahr, viele besonders qualifizierte Beamtinnen und Beamte an die private Wirtschaft zu verlieren?

Selbstverständlich soll eine Neuregelung nicht zur Folge haben, dass besonders qualifizierte Beamtinnen und Beamte den öffentlichen Dienst verlassen. Deshalb schlagen wir vor, dass sich der Dienstherr das Recht vorbehält, einer beantragten Entlassung mit Anspruch auf Mitnahme der Versorgung aus zwingenden dienstlichen Gründen zu widersprechen. Ferner ist festzuhalten, dass die freiwillige Trennung vom Dienstherrn diesen von der Alimentations- und Fürsorgepflicht entbindet. Damit haben diese Altersgeldempfänger auch weder Anspruch auf Gewährung einer Mindestversorgung, noch auf Beihilfe im Krankheits- oder Pflegefall. Darüber hinaus können bei der Berechnung dieser Versorgungsanwartschaft bis auf wenige Ausnahmen im Kern nur Dienstzeiten anerkannt werden, die auch beim Dienstherrn abgeleistet wurden. Alles in allem führt diese Ausgestaltung der Mitnahme von Versorgungsanwartschaften dazu, dass das Verbleiben im öffentlichen Dienst – neben der Arbeitsplatzsicherheit – weiterhin eine hohe Attraktivität haben wird.


Herr Oberbürgermeister Dette: Wir danken für dieses Gespräch!

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